Die Definition von Anlehnung variiert je nach Perspektive und Reitlehre. Hier ein Vergleich zwischen der Sichtweise der klassischen/modern geprägten Dressur und der Philosophie der alten Meister wie Xenophon, Steinbrecht, von Neindorff und Bent Branderup:
Anlehnung in der klassischen/modern geprägten Dressur
Definition: Anlehnung bezeichnet die feine, gleichmäßige Verbindung zwischen der Reiterhand und dem Pferdemaul oder dem Nasenrücken (bei gebissloser Zäumung), die durch eine weiche, elastische Verbindung entsteht.
Ziele:
Das Pferd tritt aktiv von hinten heran und sucht vertrauensvoll die Hand des Reiters.
Das Pferd bewegt sich in Selbsthaltung, ohne sich auf die Reiterhand zu stützen.
Das Genick ist der höchste Punkt, und die Nase befindet sich idealerweise leicht vor der Senkrechten.
Technischer Fokus:
Der Druck im Zügel soll konstant, aber leicht und elastisch sein.
Es wird oft Wert darauf gelegt, dass die "Anlehnung" durch eine "Dehnungshaltung" getestet werden kann.
Kritik: Moderne Interpretationen der Anlehnung werden häufig für zu viel Fokus auf äußere Form (Rahmen und Haltung) kritisiert, was zu übermäßiger Versammlung des Pferdes im Maul führen kann, während Hinterhandaktivität oder die Losgelassenheit vernachlässigt werden.
Anlehnung aus Sicht der
alten Meister
Xenophon (Antike):
Philosophie: Für Xenophon ist die Grundlage von Anlehnung eine harmonische Verbindung zwischen Reiter und Pferd. Das Pferd soll willig und freudig auf die Hilfen reagieren und dabei in natürlicher Haltung arbeiten.
Zitat: „Das Pferd soll freiwillig und ohne Zwang an die Hand herantreten.“
Die Zügelverbindung ist dabei nicht der zentrale Aspekt; vielmehr geht es um Balance und gegenseitiges Vertrauen.
Gustav Steinbrecht (19. Jahrhundert):
Definition: Steinbrecht beschreibt Anlehnung als Ergebnis von Durchlässigkeit und Losgelassenheit. Sie ist eine Verbindung, die von der Hinterhand durch den Pferdekörper bis in die Reiterhand fließt.
Zitat: „Reite dein Pferd vorwärts und richte es gerade.“
Der Schwerpunkt liegt auf der Förderung von natürlichem Vorwärtsdrang, der das Pferd zum Sucher der Reiterhand macht.
Kritik an harter Anlehnung: Steinbrecht warnt davor, das Pferd in eine Haltung zu zwingen, da dies die Losgelassenheit und Durchlässigkeit behindert.
Egon von Neindorff (20. Jahrhundert):
Philosophie: Für von Neindorff steht die Balance zwischen der aktiven Hinterhand und der federnden Reiterhand im Vordergrund. Die Anlehnung ist der sichtbare Ausdruck innerer Harmonie zwischen Pferd und Reiter.
Zitat: „Anlehnung ist keine statische Sache, sondern das lebendige Band zwischen Pferd und Reiter.“
Anlehnung soll leicht und durchlässig sein und nie durch Druck oder Widerstand entstehen.
Bent Branderup (Gegenwart, Akademische Reitkunst):
Definition: Branderup sieht Anlehnung als das Ergebnis einer schwingenden, losgelassenen Verbindung, die durch Körperspannung und Balance unterstützt wird. Die Reiterhand soll als „freundliche Begrenzung“ verstanden werden.
Fokus: Anlehnung wird durch den Dialog mit der gesamten Pferdekörperlichkeit hergestellt, nicht nur über die Zügel. Es geht um feine Kommunikation und Eigenverantwortung des Pferdes.
Moderne Interpretation: Branderup lehnt jede Art von Druck und Zwang in der Anlehnung ab und steht für die Arbeit an der inneren und äußeren Balance, bevor Anlehnung entstehen kann.
Vergleich
Aspekt | Moderne Dressur | Alte Meister |
Fokus | Externe Form und Rahmenerhaltung | Innere Balance, Freiwilligkeit, Dialog |
Hauptziel | Aktivität der Hinterhand, weiche Zügelverbindung | Harmonie und Kommunikation |
Kritik | Risiko der Überfokussierung auf äußere Anzeichen | Weniger standardisiert, schwer messbar |
Philosophie | Technik- und Formorientierung | Ethik und Partnerschaft im Vordergrund |
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